Seminar, 10 January 2013, R. Feuer

10 January 2013, 16:15
Ernst-Abbe-Platz 2, seminar room 3423

Modellbasierte Methoden zur Analyse der adaptiven Evolution von Mikroorganismen

Ronny Feuer (Institut für Systemdynamik, Universität Stuttgart)

Unter gleichbleibenden Umweltbedingungen lassen sich bei der Kultivierung von Mikroorganismen innerhalb weniger Generationen Anpassungsprozesse beobachten. Subpopulationen mit einer verbesserten Substratausbeute, einer höheren Wachstumsrate oder mit Toleranzen gegenüber toxischen Substanzen setzen sich gegenüber der etablierten Population durch. Dieser Prozess wird adaptive Evolution genannt. Die adaptive Evolution wurde bereits dazu eingesetzt, E. coli auf die Verwendung einer künstlicher Kohlenstoffquelle (Propanediol) zu selektieren, die Ethanoltoleranz zu erhöhen und z.B. die Laktatproduktion auf Glukosemedium nach ausbeuteverbessernden genetischen Modifikationen zu optimieren. Die adaptive Evolution bietet damit die Möglichkeit effektive Produktionsstämme für die Biotechnologie zu züchten. Während dem Prozess der adaptiven Evolution entwickelt sich die Population in Richtung optimaler Betriebspunkte des Metabolismus. Diese lassen sich mit Hilfe von Stoffwechselmodellen vorhersagen.

Im Vortrag wird ein Evolutionsexperiment vorgestellt, in dem eine pyruvatauxotrophe E. coli Mutante durch adaptive Evolution die Pyruvatprototrophie wiederherstellt. Es werden genomskalige Stoffwechselmodelle eingesetzt, um Vorhersagen über die Endpunkte der adaptiven Evolution zu treffen. Dafür wird ein Algorithmus vorgestellt, der unter Berücksichtigung des zweiten Kirchhoffschen Gesetzes die konvexe Hülle des thermodynamisch zulässigen Flussspektrums berechnet. Die Aufklärung der Ursachewirkbeziehungen bei einer evolvierten Mutante ist eine Herausforderung. Allein aus den genomischen Veränderungen lässt sich die Ursache für eine Anpassung selten erklären. Deshalb wird die Rolle der transkriptionellen Regulation während der adaptiven Evolution untersucht. Dies geschieht mit einem Stoffwechselmodell, das mit einem Boolschen Transkriptionsfaktornetzwerk kombiniert wird. Die Auswertung von Microarraydaten und von Fermentationsdaten kann modellgestützt erfolgen. Solche Methoden werden ebenfalls im Vortrag thematisiert.